Frankreich Hohe Ökoabgabe auf Benzinpreise sorgt bei Gelbwesten weiter für massiven Widerstand

In Frankreich soll es bei Protesten der sogenannten Gelbwesten-Bewegung (Mouvement des Gilets jaunes) am ersten Januarwochenende 2019 erneut zu heftigen Zusammenstößen zwischen militanten Demonstranten und der französischen Polizei gekommen sein. Angeblich seien 34 Menschen nach Polizeiangaben landesweit festgenommen worden. [1]

pixabay.com | CC0 Creative Commons
Höhere Spritpreise in Frankreich sorgen für landesweiten Unmut.

Gewalt gegen Regierungssprecher / Demonstranten stürmen Amtssitz

Dem französischen Innenminister, Christophe Castaner (Partei: La République En Marche!), zufolge waren etwa am 5. Januar in ganz Frankreich angeblich rund 50.000 Menschen auf die Straße gegangen. [2] Nach Medienberichten konnten selbst 3.500 Polizisten in Paris den Sturm der Gelbwesten auf den Amtssitz des Regierungssprechers, Benjamin Griveaux (ebenfalls La République En Marche!), nicht verhindern. Er habe sein Büro fluchtartig verlassen und sich in Sicherheit bringen müssen, nachdem Demonstranten mit einer auf der Straße entwendeten Baumaschine das Tor zu seinem Amtssitz eingedrückt hätten. [3]

Die sogenannten Gelbwesten tragen gelbe Warnwesten, die auch in Frankreich jeder Autofahrer in seinem PKW haben muss, als Erkennungszeichen bei ihren Kundgebungen und Straßenblockaden.

Die Demonstrationen begannen am 17. November 2018 zunächst als Protest gegen eine von Präsident Emmanuel Macron (Gründer der Partei La République En Marche!) zur Finanzierung und Durchsetzung der Energiewende in Frankreich geplanten höheren Besteuerung von fossilen Kraftstoffen. [4] In den ersten Wochen der Gelbwesten-Proteste soll die Bewegung laut französischer Medien angeblich etwa 300.000 Teilnehmer im gesamten Land auf die Straße gebracht haben. [5]

 

Die Partei La République En Marche! (Die Republik in Bewegung!) ist eine liberale politische Partei in Frankreich. Sie wurde im Jahr 2016 durch Emmanuel Macron im Vorfeld seiner Präsidentschaftskandidatur gegründet. [6] Laut Medienberichten sei die Partei bis zum Frühjahr 2018 auf eine Mitgliederzahl von rund 400.000 angewachsen. [7]

Empörung über höhere Spritpreise

Auslöser der Gelbwesten-Bewegung waren staatliche Planungen für zusätzliche Treibstoffabgaben in Form einer Ökosteuer. So sollten sich nämlich zum 1. Januar 2019 der Liter Diesel um 6,5 Cent und der Liter Benzin um 2,9 Cent verteuern. [8] Nach Aussagen von Staatpräsident Macron seien die Mehreinnahmen unter anderem für die Förderung umweltfreundlicherer Verkehrsmittel vorgesehen. [9]

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur AFP (Agence France-Presse) sollen allein die Steuern bereits seit Jahresbeginn 2018 für Diesel um 7,6 Cent pro Liter und für Benzin um 3,9 Cent gestiegen sein. [10] Ein Liter Super kostete laut der linksliberalen französischen Tageszeitung Libération im November 2018 angeblich durchschnittlich 1,53 Euro. Das sollen 27 Cent mehr als im Jahr 2010 sein. [11]

Laut dem französischen Benzinpreisvergleichsportal carbu.com wiederum lag die Steigerung bei einem Liter Super-Benzin bei nur 22 Cent gegenüber 2010. Was dem Portal nach einer Teuerungsrate von rund 17 Prozent entspräche. [12]

Benzinpreisentwicklung (Super 95) in Frankreich seit 2010.carbu.com

Der Preis für Diesel an den französischen Tankstellen stieg nach Aussage der Zeitung Liberation im selben Zeitraum um 44 Cent auf durchschnittlich 1,51 Euro je Liter. [11]

Dieselpreisentwicklung in Frankreich seit 2010.carbu.com

Geht es nach dem Vergleichsportal carbu.com, stieg der Dieselpreis in Frankreich seit 2010 um etwa 42 Cent je Liter, was einem Anstieg von 38 Prozent entspräche. [12]

Eine der Initiatorinnen der Gelbwesten-Bewegung, Jacline Mouraud, nahm diese Entwicklung und die geplante Ökoabgabe zum Anlass für ein viel beachtetes Facebook-Video. Am 30. Oktober 2018 beklagte sie in ihrem Post die angebliche "Hetzjagd auf Autofahrer" durch den Staat. Bis Januar 2019 hatten mehr als 6,2 Millionen Menschen das Video angesehen. [13]

Zum Vergleich: In Deutschland entwickelte sich der durchschnittliche Benzinpreis (Super) von 2010 in Höhe von durchschnittlich 1,41 Euro auf rund 1,45 Euro im Jahr 2018. Was einen Anstieg von 2,9 Prozent bedeuten würde. [14]

Preisentwicklung für Superbenzin in Deutschland seit 2010.Statista, Statistisches Bundesamt, Energie Informationsdienst (2019)

Beim Diesel stieg der Durchschnittspreis je Liter in Deutschland von 1,22 Euro (2010) auf 1,28 Euro (2018) – ein Anstieg von rund 5 Prozent. [14]

Preisentwicklung für Dieselkraftstoff in Deutschland seit 2010.Statista, Statistisches Bundesamt, Energie Informationsdienst (2019)

Regierung zog Erhöhungen zurück – vorerst / Ein Rückschlag für den Klimaschutz?

Im Zuge der Massenproteste im November 2018 mit vier Toten und zahlreichen Verletzten ruderte die Regierung in Person von Premierminister Edouard Philippe, ebenfalls Mitglied der Regierungspartei von Präsident Macron, Anfang Dezember scheinbar zurück. Die Einführung der Ökosteuer auf Benzin und Diesel wurde angeblich aus dem Haushaltsplan für das Jahr 2019 gestrichen. [15]

Der vorerst gescheiterte Versuch von Macron war Bestandteil des Plans, den Verbrauch fossiler Brennstoffe in Frankreich durch Preiserhöhungen zu verringern, um weniger Treibhausgase auszustoßen und den Klimawandel zu verlangsamen.

Aber auch in anderen Punkten machte Macron scheinbar einen Rückzieher. So will er zwar den Anteil der Atomkraft weiterhin von 80 Prozent auf 50 Prozent bei der französischen Stromerzeugung zurückbauen, jedoch nicht wie bislang geplant bis zum Jahr 2025, sondern erst bis zum Jahr 2035. [16]

Trotz dieser losen Zugeständnisse im Energiebereich halten die Demonstrationen weiter an. Im Fokus der Gelbwesten stehen unter anderem die Forderungen nach einem einheitlichen Mindestlohn, einem solidarischen Rentensystem und die Begrenzung der Mieten in Frankreich. [17]

Einzelnachweise

[1] 34 Festnahmen bei „Gelbwesten“-Protesten, auf: Handelsblatt Online (handelsblatt.com) vom 06. Januar 2019. Abruf am 07. Januar 2019.

[2] "Gilets jaunes" : 50.000 manifestants en France lors de l'acte 8, von Leia Hoarau, auf: Radio Television Luxembourg Online (rtl.fr) vom 06. Januar 2019. Abruf am 07. Januar 2019.

[3] Benjamin Griveaux évacué après une intrusion dans son ministère: "Ils ont attaqué la maison France, auf: La Chaîne Info (lci.fr) vom 06. Januar 2019. Abruf am 07. Januar 2019.

[4] Teurer Sprit - Dieselfahrerin führt Frankreich auf die Barrikaden, auf: Manager Magazin Online (manager-magazin.de) vom 16. November 2018. Abruf am 07. Januar 2019.

[5] EN DIRECT - Gilets jaunes : le Premier ministre Edouard Philippe, auf: La Chaîne Info (lci.fr) vom 06. Januar 2019. Abruf am 07. Januar 2019.

[6] La République en Marche, auf: Wikipedia.de. Abruf am 09. Januar 2019.

[7] Emmanuel Macron will weder links noch rechts sein - ist das glaubwürdig?, von Albrecht Meier, auf Tagesspiegel Online (tagesspiegel.de) vom 07. April 2018. Abruf am 09. Januar 2019.

[8] Aufstand der Mittelschicht, von Leo Klimm, auf: Süddeutsche Online (sueddeutsche.de) vom 17. November 2018. Abruf am 08. Januar 2019.

[9] «La gratuité des transports publics est une mauvaise idée, qui pénalise d’abord le vélo et la marche», von: Frédéric Héran, auf: Le Monde Online (lemonde.fr) vom 07. September 2018. Abruf am 08. Januar 2019.

[10] In Frankreich folgt die Spritsteuer nun dem Ölpreis, auf: Frankfurter Allgemeine Zeitung (faz.net) vom 27. November 2018. Abruf am 07. Januar 2019.

[11] Pourquoi les prix du carburant à la Réunion ne sont pas les mêmes qu'en métropole ?, von Marlène Thomas, auf: Liberation Online (liberation.fr) vom 21. November 2018. Abruf am 07. Januar 2019.

[12] Evolution des prix moyens des carburants, auf: carbu.com. Abruf am 08. Januar 2019.

[13] https://www.facebook.com/jacline.H, vom 30. Oktober 2018

[14] Durchschnittlicher Benzinpreis in Deutschland in den Jahren 1972 bis 2018, auf: Statista Online (statista.com). Abruf am 08. Januar 2019.

[15] Präsident Emmanuel Macron rechnet mit weiterer "sehr großer Gewalt", auf: Die Zeit Online (zeit.de) vom 06. Dezember 2018. Abruf am 09. Januar 2019.

[16] Macrons unmöglicher Spagat, von Stefan Brändle, auf: Der Standard Online (standard.de) vom 27. November 2018. Abruf am 09. November 2019.

[17] 1200 Euro Mindestrente, Erhalt von Postämtern - die Forderungen der "Gelbwesten“, von Andrea Ritter, auf: Stern Online (stern.de) vom 08. Dezember 2018. Abruf am 09. Januar 2019.


gefällt mir
3
 

Lesen sie jetzt