Publibike: Fahrradverleih der Schweizer Post trotz Wachstum unter Druck

Auf den ersten Blick kann sich die Schweizer Post freuen: Der konzerneigene Fahrradverleiher "PubliBike" weist in Zürich hervorragende Wachstumsraten auf. So habe man im Juni 2019 erstmals die magische Grenze von 100.000 Fahrten knacken können. Ähnlich sehe es in der Schweizer Hauptstadt Bern aus. Hier seien im Juni gar 140.000 Fahrten zu verbuchen gewesen. Hilfreich dürfte sicherlich das gute Wetter gewesen sein.

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Weltweit in den Metropolen das gleiche Bild: Wie Soldaten aufgereihte Bikes zum mieten.

Doch die zunehmenden App-Buchungen sind nur die eine Seite der Medaille. Über die andere berichtet nun die Luzerner Zeitung: Demnach gehe das Mietgeschäft angeblich finanziell noch nicht ganz auf.

Dabei klingt das Mietangebot der Schweizer Post, die sich selbst gerne in drei Sprachen bewirbt – deutsch, französisch, italienisch – für seinen Veloverleih durchaus überaus attraktiv:

Man zahlt einmal im Jahr 60 Franken und kann dann die Räder von Publibike faktisch jederzeit kostenlos buchen. Voraussetzung. Man stellt das Bike nach spätestens 30 Minuten wieder ab.

 

Dass nun angeblich gar 100.000 Fahrten in Zürich in nur einem Monat nicht finanziell ertragreich sein sollen, wie die Luzerner Zeitung berichtet, deutet darauf hin, dass vielleicht die Fahrten zunehmen, nicht aber unbedingt die Anzahl der einzelnen Mieter in gleicher Stärke. Jedenfalls führt die Luzerner Zeitung aus:

«Laut einem kaum beachteten Bericht der Eidgenössische Finanzkontrolle hat die Post mit ihrem Verleihservice Verluste von 10,9 Millionen Franken angehäuft. Alleine im Jahr 2017 fiel ein Defizit von fünf Millionen Franken an; dabei betrug der Umsatz nicht einmal drei Millionen Franken. Und vergangenes Jahr dürfte wegen des Fiaskos um die aufgebrochenen Schlössern noch schlechter gewesen sein.»

Doch damit nicht genug: Angeblich ärgere sich die Velo Verleihbranche in der Schweiz schon seit längerem über den Konkurrenten Publibike. Angeblich habe die Schweizer Post den Gemeinden, in welchen sie aktiv ist, versprochen, sie benötige keine staatlichen finanziellen Hilfen für den Aufbau eines das Klima schonenden Fahrradverleihs in Schweizer Städten.

Doch nun munkele man in der Branche, dass es ganz ohne staatliche Hilfe eventuell in der teuren Schweiz doch nicht gehe. Grund: Schon der Mindestlohn liegt in der Schweiz für eine 42 Stundenwoche im Schnitt bei 4.500 Franken monatlich.

In Klimadebatte punkten

Fakt ist: Für Logistikkonzerne, wie die Schweizer Post, gehören Mietservices heute weltweit zu einem üblichen Wachstumsfeld, mit dem man auch in der Klimadebatte punkten möchte.

Beispielsweise betreibt die Deutsche Bahn in zahlreichen deutschen Städten ihren car sharing Service «Flinkster». Der hat allerdings aus Sicht vieler den Nachteil, dass man das Auto nur an ganz bestimmten Parkplätzen abstellen darf. Auch lässt sich die Bahn wenige Minuten Zeitüberschreitung teuer bezahlen.

Flexibler sind da Konkurrenten wie beispielsweise «DriveNow» von BMW: «Ein Anbieter, der auch die deutlich besseren und schickeren Autos hat, als der mit etwas spießigen Autos ausgestattete DB-Konkurrent Flinkster», sagt ein Kunde.

Ob DriveNow oder Flinkster

Der Verwaltungsrat der Schweizer Post wolle derzeit trotz der Anlaufprobleme weiterhin an Publibike festhalten, so die Luzerner Zeitung. Allerdings setze man auf mögliche Kooperationen:

«Faktisch dürfte es vor allem darum geben, einen Teil des Defizits auf andere abzuwälzen. Die Stadt Bern hat bereits signalisiert, dass man eine Anfrage prüfen werde», so das Schweizer Blatt. Und führt genüsslich weiter aus:

So sei Fahrrad-Unternehmer François Kuonen über das nun bekannt gewordene Defizit der Schweizer Post überrascht, auch über die bekannt gewordenen Pläne, möglicherweise Kooperationen einzugehen:

Kuonen baute schon vor zehn Jahren in der Schweiz den Veloverleih Intermobility Velospot auf.

Dass Publibike nun auf Hilfe von Städten setze, bewerte er nach Angaben der Luzerner Zeitung mit den Worten, «was Publibike hier tut, ist illegal».

Was Publibike versuche, sei "illegal"

Grund: So habe sich auch Intermobility in den beiden grössten Schweizer Märkten Bern und Zürich um einen öffentlichen Fahrradverleih-Auftrag beworben. Jedoch sei man dabei zwei Mal unterlegen – dem Konkurrenten Publibike.

Publibike habe nämlich vollmundig gesagt, man könne den flächendeckenden Fahrradverleih ohne öffentliche Gelder profitabel in der Schweiz aufbauen.

«Publibike hat den Städten ein unrealistisches Angebot für fünf Jahre gemacht und den Zuschlag erhalten. Wenn sie nun trotzdem staatliche Gelder beantragt, bricht sie den eingegangenen Vertrag», so Kuonen.

Der Unternehmer habe sich, so die Luzerner Zeitung, «in der Vergangenheit mehrfach darüber ausgelassen, dass ein stationsbasierter Velobetrieb ohne staatliche Beiträge nicht finanzierbar sei.»

Auch Anbieter Smide ärgere sich

Zudem habe die Publibike «mit ihren Dumpingpreisen einen funktionierenden Markt kaputt gemacht». Nun erhalte sie die Quittung dafür.

Auch ein dritter Anbieter in der Schweiz, "smide - pick and ride" , sieht sich benachteiligt. Doch aus noch ganz anderen Gründen: So dürften zwar Smide-Velos in den Gemeinden frei irgendwo abgestellt werden. Doch habe das auch Nachteile:

Denn Konkurrenten wie Publibike seien beispielsweise von der Stadt Zürich «Veloabstellplätzen an bester Lage und Sponsoring Verträgen mit staatsnahen Unternehmen» eingeräumt worden.

Dass Publibike nun auch noch staatliche Gelder einfordere, sei «ein klarer Wortbruch».

Für Rentner oder Fußfaule gut zu wissen: Immer mehr Fahrradverleiher bieten zudem E-Bikes in den Städten an.

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